Mittwoch, 16. Januar 2013

Château Haut-Brion, Pontack's Head und die Wallfahrt des John Locke

Wie John Locke das Château Haut-Brion besuchte

 
Stolz war niemals eine Tugend, die der Familie Pontac abging. Als Arnaud de Pontac Mitte des 17ten Jahrhunderts vier "P" in den Stein über seiner Eingangstür meißeln ließ, dachte er an "Pontac Premier Président du Parlement", Pontac Erster Präsident des Parlaments. Die Leute aus Bordeaux machten daraus jedoch "Pauvres Plaideurs, Prenez Patience", Arme Kläger, habt Geduld, im Gedanken an die langsame Arbeit der Justiz, der Arnaud de Pontac vorstand.

Die Familie de Pontac aus Bordeaux brachte Präsidenten und Generäle hervor - doch was sie berühmt machen sollte, dass war nicht ihr Reichtum und Einfluss, sondern ihr Wein. Denn sie war Eigentümer des Weingutes Château Haut-Brion.

Aber Arnaud de Pontac war nicht nur stolz, er war auch ein guter Geschäftsmann. Er hatte verstanden, dass das große Weingeschäft seiner Zeit beim englischen Adel lag, der nicht nur das nötige Geld hatte, sondern auch alles schätzte, was aus Bordeaux kam. Als dann ein Admiral des englischen Königs, Samuel Pepys, in seinem berühmten Tagebuch von einem Bordeaux-Wein sprach, wie er ihn noch nie gekostet hätte, zögerte de Pontac nicht mehr lange: er schickte seinen Sohn nach London, um dort eine Taverne zu eröffnen, die bald eines der edelsten Restaurants der Stadt werden sollte. Doch die Spezialität von Pontack’s Head, Der Kopf von Pontac, wie das Restaurant genannt wurde (damals schrieb sich die Familie Pontac manchmal mit und manchmal ohne "k" am Ende ihres Namens), war nicht nur das gute Essen sondern vor allem sein Bordeaux-Wein - es wurde ausschließlich Château Haut-Brion serviert.

Der Wein von Pontack's Head war zwar viermal so teuer wie die anderen Weine, die man in Londons Nobelrestaurant trank - daher die Kritik von Jonathan Swift - aber das störte die reichen Adligen nicht.

Auch der englische Philosoph John Locke war Stammgast im Pontack's Head. So kam es, als sein Asthma in fortgeschrittenem Alter immer schlimmer wurde und seine Suche nach einem milderen Klima ihn erst nach Paris, dann in den Süden Frankreichs führte, dass er eines Tages an sein Lieblingsrestaurant aus London dachte. Es reizte ihn, den Herkunftsort dieses fantastischen Weines kennenzulernen, den er mit seinen Freunden so oft genossen hatte. Andererseits dachte er auch an den Preis des Château Haut-Brion, was ihn wiederum zögern ließ.

Doch vier Tage vor seiner Abreise konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Die Reise zu den Ländereien von Haut-Brion war fast so etwas wie eine Wallfahrt. Endlich, so sollte er später erzählen, konnte er auf der Erde stehen, die seinen geliebten Wein hervorbrachte. Ob seine Mittel allerdings ausreichend waren, um dort auch einige Kisten Haut-Brion zu kaufen - davon reden die Chronisten nicht…
Copyright: Sandra Winters

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