Wie John Locke das Château Haut-Brion besuchte
Wie John Locke das Château Haut-Brion besuchte
Stolz war niemals eine Tugend,
die der Familie Pontac abging. Als Arnaud de Pontac Mitte des 17ten
Jahrhunderts vier "P" in den Stein über seiner Eingangstür meißeln ließ,
dachte er an "Pontac Premier Président du Parlement", Pontac Erster
Präsident des Parlaments. Die Leute aus Bordeaux machten daraus jedoch
"Pauvres Plaideurs, Prenez Patience", Arme Kläger, habt Geduld, im
Gedanken an die langsame Arbeit der Justiz, der Arnaud de Pontac vorstand.
Die Familie de Pontac aus
Bordeaux brachte Präsidenten und Generäle hervor - doch was sie berühmt machen
sollte, dass war nicht ihr Reichtum und Einfluss, sondern ihr Wein. Denn sie
war Eigentümer des Weingutes Château Haut-Brion.
Aber Arnaud de Pontac war nicht
nur stolz, er war auch ein guter Geschäftsmann. Er hatte verstanden, dass das
große Weingeschäft seiner Zeit beim englischen Adel lag, der nicht nur das
nötige Geld hatte, sondern auch alles schätzte, was aus Bordeaux kam. Als dann
ein Admiral des englischen Königs, Samuel Pepys, in seinem berühmten Tagebuch von einem Bordeaux-Wein sprach,
wie er ihn noch nie gekostet hätte, zögerte de Pontac nicht mehr lange: er
schickte seinen Sohn nach London, um dort eine Taverne zu eröffnen, die bald
eines der edelsten Restaurants der Stadt werden sollte. Doch die Spezialität
von Pontack’s Head, Der Kopf von Pontac, wie das
Restaurant genannt wurde (damals schrieb sich die Familie Pontac manchmal mit
und manchmal ohne "k" am Ende ihres Namens), war nicht nur das gute Essen sondern vor allem sein
Bordeaux-Wein - es wurde ausschließlich Château Haut-Brion serviert.
Der Wein von Pontack's Head
war zwar viermal so teuer wie die anderen Weine, die man in Londons
Nobelrestaurant trank - daher die Kritik von Jonathan Swift - aber das störte die reichen Adligen nicht.
Auch der englische Philosoph John Locke war Stammgast im Pontack's Head. So
kam es, als sein Asthma in fortgeschrittenem Alter immer schlimmer wurde und
seine Suche nach einem milderen Klima ihn erst nach Paris, dann in den Süden
Frankreichs führte, dass er eines Tages an sein Lieblingsrestaurant aus London
dachte. Es reizte ihn, den Herkunftsort dieses fantastischen Weines
kennenzulernen, den er mit seinen Freunden so oft genossen hatte. Andererseits
dachte er auch an den Preis des Château Haut-Brion, was ihn wiederum zögern
ließ.
Doch vier Tage vor seiner Abreise konnte er sich nicht mehr zurückhalten.
Die Reise zu den Ländereien von Haut-Brion war fast so etwas wie eine
Wallfahrt. Endlich, so sollte er später erzählen, konnte er auf der Erde
stehen, die seinen geliebten Wein hervorbrachte. Ob seine Mittel allerdings
ausreichend waren, um dort auch einige Kisten Haut-Brion zu kaufen - davon
reden die Chronisten nicht…
Copyright: Sandra Winters
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